Erntehelfer im Rhein-Neckar-Kreis sind keine „Feldarbeiter 2. Klasse“
Gewerkschaft fordert Mindestlohn und bessere Unterkünfte
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Nordbaden richtet einen deutlichen Appell an die Obst- und Gemüsebauern im Rhein-Neckar-Kreis: Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer dürfen nicht schlechter behandelt werden als andere Beschäftigte. Faire Löhne und angemessene Unterkünfte seien zwingend erforderlich.
Erntearbeit unter schwierigen Bedingungen
Wolfgang Kreis, Bezirksvorsitzender der IG BAU Nordbaden, betont die Belastung der Saisonarbeit: „Die Ernte von Spargel, Erdbeeren, Gurken, Äpfeln oder Kirschen ist körperlich anstrengend, oft unter schwierigen Wetterbedingungen – das darf nicht mit schlechten Arbeitsbedingungen einhergehen.“ Erntehelfer hätten mindestens den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit 12,82 Euro pro Stunde verdient. Ausnahmen dürften nicht zugelassen werden.
Schlechte Wohnverhältnisse trotz hoher Kosten
Viele Saisonkräfte stammen aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien, Polen oder Kroatien, zunehmend auch aus Zentralasien. Sie bleiben meist mehrere Monate und leben in einfachen, teils maroden Unterkünften. Trotz mangelhafter Zustände sei die Miete häufig hoch, zudem würden Kosten für Verpflegung, Transport und Vermittlung vom Lohn abgezogen. Für viele bleibe am Monatsende nur wenig übrig, so die Kritik der IG BAU.
Keine Sonderregelungen beim Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn sei verpflichtend – auch in der Landwirtschaft. Die vom Deutschen Bauernverband geforderte Absenkung des Mindestlohns auf 80 Prozent für Saisonarbeiter sei vom Bundesagrarministerium abgelehnt worden. „Damit ist diese respektlose Forderung endgültig vom Tisch“, so Kreis. Eine Absenkung hätte auch die Löhne von Fachkräften im landwirtschaftlichen Bereich unter Druck gesetzt.
Landwirtschaft profitiert von staatlicher Unterstützung
Kreis verweist darauf, dass landwirtschaftliche Betriebe von politischen Maßnahmen profitieren: Die Bundesregierung plant eine Senkung der Stromsteuer für die Branche. Ab dem Jahr 2026 ist außerdem eine vollständige Rückvergütung des Agrar-Diesels in Höhe von 21,4 Cent pro Liter vorgesehen.
Vergleich mit niederländischen Löhnen
In den Niederlanden liegt der gesetzliche Mindestlohn in der Landwirtschaft derzeit bei 14,40 Euro pro Stunde – 1,58 Euro über dem deutschen Niveau. Dennoch liefern niederländische Betriebe weiterhin erfolgreich Obst und Gemüse auf den deutschen Markt. In Deutschland steigt der Mindestlohn im Jahr 2026 auf 13,90 Euro, bleibt aber weiterhin unter dem Niveau der Niederlande.
Unterstützung für Saisonkräfte im Rhein-Neckar-Kreis
Personen, die im Rhein-Neckar-Kreis Saisonkräfte treffen, die Hilfe benötigen, können sich an das DGB-Netzwerk Faire Mobilität wenden. Kontakt ist möglich über [email protected] oder telefonisch unter 030-219 65 37 21. Weitere Informationen sind online unter www.faire-mobilitaet.de verfügbar – auch in mehreren Sprachen.
340 Erntehelfer im Einsatz im Juli 2024
Nach Angaben der IG BAU Nordbaden waren im Juli 2024 rund 340 Saisonarbeitskräfte zur Erntezeit in der Landwirtschaft im Rhein-Neckar-Kreis beschäftigt. Die Gewerkschaft beruft sich hierbei auf Zahlen der Arbeitsagentur.
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